Im vergangenen Herbst besuchten Roxana Corrales und Aldo Rubio von der Insel Zacate Grande, Honduras auf Initiative des Theaterensembles Johannes die Schweiz. Die beiden erzählten in Schulklassen, Abendveranstaltungen und persönlichen Begegnungen von ihrem Widerstand gegen einen Grossgrundbesitzer, der die Insel in ein Ferienparadies der Luxusklasse umwandeln möchte und mit Naturschutzgebieten im CO2-Emissionshandel mitmischt. Seither ist in Honduras viel geschehen – kurz nach dem Besuch in der Schweiz fanden in dem zentralamerikanischen Staat Wahlen statt. Wir haben einen Brief von Roxana und Aldo erhalten, in dem sie über die aktuelle Situation berichten.
Die Bilder zu diesem Beitrag stammen von Ensemble-Mitglied Noemi Harnickell, die ein halbes Jahr in Honduras lebt und eben Zacate Grande besucht hat (Link zu ihrem Blog mit Reiseberichten).
Geschätzte Freundinnen und Freunde aus der Schweiz, wir grüssen Euch herzlich aus der Ferne. Trotz Kommunikationsschwierigkeiten hier in Puerto Grande möchten wir Euch über Aktuelles auf dem Laufenden halten.
Nach unserem Besuch in der Schweiz im November 2013, wo wir Euch über die Realität des Lebens in den Gemeinden von Zacate Grande informierten, hat sich der politische Kontext verschlechtert. Am 24. November 2013 wurde Juan Orlando Hernández zum neuen Präsidenten gewählt, und obwohl der Wahlprozess intensiv beobachtet wurde (es war der am Meisten beobachtete Wahlprozess in der Geschichte Honduras‘), gibt es klare Indizien für einen Wahlbetrug (Link zur Wahlbeobachtung einer Schweizer Delegation).
Die Kriminialisierung der sozialen Bewegung und ihres Kampfes für das Volk hat sich noch mehr zugespitzt. Die Implementierung von bestimmten Gesetzen, welche im Nationalkongress der Periode 2010-2014 (mit Juan Orlando Hernández als Präsident des Nationalkongresses und Porfirio Lobo Sosa als Präsident der Republik) abgesegnet worden sind, haben direkte Auswirkungen auf den Kampf um Zugang zu Land der bäuerlichen Gemeinden wie im Falle von Zacate Grande. Nennen wir zum Beispiel das Gesetz über die speziellen Zonen der Entwicklung ZEDE (Modellstädte): wie die Regierung über verschiedene Medien verlauten liess, ist die erste Modellstadt im Süden von Honduras in der Gemeinde Amapala geplant, welche die «Isla del Tigre» und Gemeinden der Halbinsel von Zacate Grande umschliesst.
Dies hat Auswirkungen in verschiedenen Gemeinden. Im Weiler Puerto Sierra in der Gemeinde Playa Blanca lässt der Grossgrundbesitzer Edilberto Cruz eine Mauer von zwei Metern Höhe bauen, so dass man keinen Zugang zu dieser Gemeinde mehr hat. Die Gemeindemitglieder wehren sich dagegen, und gegen verschiedene Kameraden wird wegen des Delikts «Aufstand» prozessiert: mehrfach wurden sie gewaltsam und ohne Haftbefehl festgenommen.
Was uns sehr beunruhigt hat, war der Besuch von Juan Orlando Hernández in der Gemeinde Coyolito; dort hat dieser eine neue Militärgruppe gegründet. Eine mehr gegen uns, die wir um Zugang zu Land und um unsere Rechte kämpfen. Diese Militärgruppe arbeitet auch mit dem «Club von Coyolito» zusammen, welcher den BewohnerInnen vortäuscht, dass sie Entwicklung und bessere Lebensqualität für die Familien bringen werden.
Es gibt leider keine Fortschritte in der Gesetzgebung, dass die Familien Landtitel erhalten könnten; das Ziel wäre ein Gesetz zur Transformation in eine ganzheitliche Agrarreform. Die Situation hat sich nicht verändert und wir, die BewohnerInnen der Gemeinden, kämpfen weiterhin um unser Recht auf das Land – und die Grossgrundbesitzer, indem sie ihre angeblichen Besitzurkunden vorzeigen.
Die Diktatur von Juan Orlando Hernández wächst und mit ihr die Kriminalisierung des sozialen Kampfes. Am 28. Febuar wurde in der offiziellen Tageszeitung La Gaceta eine Liste mit 5’429 zivilgesellschaftlichen Organisationen und NGOs veröffentlicht; der Staat ist daran, ihnen den Status von juristischen Personen zu entziehen; auf dieser Liste ist auch unsere Organisation ADEPZA, die uns in diesem ungleichen Kampf repräsentiert.
Aber es gibt auch positive Dinge zu berichten. Wir halten uns daran fest, um uns zu stärken und weiter zu gehen:
- Unser Kamerad Juan Ángel Velásquez wurde auf Bewährung frei gelassen; das erlaubt es ihm immerhin, sich in Freiheit zu verteidigen.
- Wir arbeiten an der Umsetzung des Projekts «nachhaltige Entwicklung auf der Halbinsel Zacate Grande»; Wir legen Familiengärten an, damit wir einen Teil unserer Lebensmittel biologisch anpflanzen können. Dieses Projekt hat grossen Anklang gefunden bei den Leuten; verschiedene neue Familien wollen sich nun ADEPZA anschliessen, und zwei Gemeinden (El Zope und Coyolito), die sich von unserer Organisation zurückgezogen hatten, wurden wieder Mitglieder.
- Einer der wichtigsten Erfolge war der Erhalt der offiziellen Sendeerlaubnis für unseren Radiosender La Voz de Zacate Grande, und zwar dank der Unterstützung von verschiedenen Organisationen, die sich mit uns dafür eingesetzt haben; das ist ein grosser Fortschritt in unserem Kampf.

Ensemble Mitglied Noemi Harnickell und Aldo Rubio an einem der wenigen Strände der Insel Zacate Grande, die noch öffentlich zugänglich sind
Wir glauben, dass sich der Kampf von Zacate Grande verschärfen wird. Dies auch deshalb, weil die Mitglieder vom «Club Coyolito» das Rechtssystem auf ihrer Seite haben; sie profitieren von allen neu eingeführten Gesetzen, aber die anderen Familien der Gemeinden von Zacate Grande sind entschlossen, ihr altes und legitimes Recht auf Zugang zu diesem Land und diesen Stränden weiterhin zu verteidigen. Das Radio La Voz de Zacate Grande ist das stärkste Instrument unseres Kampfes, um über alle Vorkommnisse hier Bericht zu erstatten. Das Radio ist und bleibt das Symbol unseres Kampfes und Aufstands.
Aldo Rubio & Roxana Corrales
Puerto Grande, 27. März 2014